Dienstag, 4. November 2014

Ego-Abbau.


Ich bin ein Mittzwanziger mit einer nicht ganz so mittelschweren Lebenskrise. Ich gehöre zu jener Schicht, die beste Voraussetzungen mitbringt: unter 25, akademischer Abschluss bald in der Tasche - dabei das ganze Leben lang nur gekellnert oder Nachhilfe gegeben  (irgendwoher muss das Geld zum luxuriösen Leben ja kommen). "Die besten Voraussetzungen" hab ich im Übrigen als Geisteswissenschaftler auch nicht, hätte mal lieber mit 19 nach dem Abi 'ne Ausbildung machen sollen, aber hinterher ist man sowieso immer schlauer; also schaut man zurück, bereut eigentlich gute Entscheidungen und schürt Zukunftsängste. Mangels Erfahrungshorizont im realen Berufsleben bin ich dann doch eher ein Traumtänzer mit zu viel Kreativität im Kopf, die nicht so recht entweichen will, immerhin hab ich kein Ventil dafür, das mir das Geld zum Leben sichern würde. Und leben will ich auf großem Fuß, wie jeder Mittzwanziger in einem Erste-Welt-Land wie unserem. In kaum einem Jahr darf ich mich "Master of Arts" nennen, wie gefühlt jeder dritte, den ich auf der Straße Musik machen sehe. Meine Illusion vom schön bezahlten Journalisten-Job hab ich längst entromantisiert und auf den Scheiterhaufen geworfen (die weichgespülten Romantik-Fantasien bezüglich dieses Jobs laste ich Carrie Bradshaw an, die mir falsche Vorstellungen vom Leben als Schreiberling vermittelt hat!). Ich stelle mich lieber total pessimistisch darauf ein, gar keinen Job zu finden und wenn, nur einen schlecht bezahlten, der mich in meiner Freizeit zum Musikmachen auf der Straße zwingt - nur kann ich kein straßentaugliches Instrument spielen. Ob ich dann wohl verhungern oder - noch schlimmer! - mein iPad verkaufen muss? 
Aber die Sinnkrise entlädt sich nicht nur in stupider Angst vor der Arbeitslosigkeit. Irgendwann beginnt der schleichende Prozess, in dem man als Mittzwanziger immer intoleranter gegenüber mittelmäßigen Partys und schlechten Dates wird, proportional steigend zum Grad der Nüchternheit (je nüchterner, desto schlimmer, versteht sich). Leider sind mittlerweile die meisten Partys mittelmäßig und die Dates werden von mal zu mal gruseliger, Alkohol in rauen Mengen ist da unvermeidbar. Am nächsten Morgen wird einem dann aber schmerzlich bewusst, dass der Alkohol nun wirklich keine Lösung mehr ist, denn mit Mitte 20 steht man irgendwann nicht mehr auf den ätzenden Kater, den man ganz plötzlich hat und an den man mit 18 noch nicht mal im Traum denken hätte können. 
Irgendwie ist es scheiße Mitte 20 zu sein. Man hat alles, lebt ein privilegiertes Leben in einem der reichsten Länder der Erde, studiert sich in die höchsten Sphären hinauf - und kann irgendwie (noch) nichts. Außer Jammern. Das kann ich gut.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja, genau SO isses.