Montag, 21. November 2011

Für manche Dinge braucht man keinen Grund.

32 Tage. Vor genau 32 Tagen habe ich das letzte Mal mit ihm gesprochen. Erinnern kann ich mich noch an jede einzelne Sekunde dieses Treffens. Der letzte Samstagabend vor Reiseantritt. Zwei Pfefferminzschnäpse hatte ich bestellt, einen davon stellte ich ihm wortlos auf den Tisch. „Womit habe ich den verdient?“, fragte er. Ich sah ihm tief in seine blauen Augen.
Es war dunkel in der Bar, ich konnte seine Augenfarbe nicht erkennen, aber natürlich weiß ich, dass sie blau sind. Blau wie der Himmel an einem sonnigen, wolkenlosen Augusttag, den man am liebsten mit Freunden an einem klaren See verbringt.
Als ich ihn so ansah, schien die Zeit stehen zu bleiben. Er lächelte. Er strahlte. Und ich suchte in meinem Kopf nach einer Antwort auf seine Frage. Mir war von Anfang an klar, dass sie eigentlich lauten müsste: „Verdient hast du den wirklich nicht“. Aber mit diesem umwerfenden Lächeln machte er es mir unmöglich, so etwas zu sagen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, in der ich mir überlegte, ehrlich zu sein. In Wirklichkeit waren es nur Bruchteile von Sekunden. Mit brüchiger, leiser Stimme brachte ich nur „Für manche Dinge braucht man keinen Grund.“ heraus.
32 Tage nach diesem Abend ist November. 667 Kilometer trennen mich von ihm. Ich gehe durch den Park. Überall liegt Laub. Nicht bunt; gelb-braun. Die Bäume der Allee sehen schwarz und tot aus. Der eisige Wind, der ständig weht, hat es geschafft, die Blätter in nur drei Wochen von ihnen zu reißen. So kahl wie die Bäume derzeit sind, so leer fühle ich mich innerlich. „Für manche Dinge braucht man keinen Grund“. Wirklich nicht, nein. Wenn ich durch den Park gehe und den laubbedeckten Kiesboden unter meinen Schritten knirschen höre, kann ich nicht anders, als immer wieder an diesen Satz zu denken. Und dann wird mir jedes Mal wieder auf’s Neue klar, dass er nur eine Ausrede ist. Das macht ihn nicht weniger wahr, aber er ist eine Ausrede. Er ist die perfekte Zuflucht, denn für all die dummen Dinge, für all die herzzerreißenden Mails, für all die pathetischen Gespräche, für all die aufdringlichen Momente, in denen ich ihm immer und immer wieder Vorwürfe gemacht habe, liefert dieser eine Satz die einfachste und doch reinste aller Wahrheiten.
Es gibt keinen Grund, wieso ich all dies getan habe. Ich kann es nicht erklären, ich kann es nicht in Worte fassen und für andere nachvollziehbar darstellen. Es gibt keinen rationalen Grund dafür und ich kann auch keine rationale Erklärung liefern. Denn es ist nicht logisch. Es ist Liebe.

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