This is not the way into my heart, into my
head, into my brain, into none of the above.
This is just my way of unleashing the feelings
deep inside of me, this spark of black that I seem to love.
Ich erinnere mich gut. Mit 7 Jahren malte ich vier Bilder. Für jede Jahreszeit eins. Ich schrieb auf die Bilder kleine Geschichten, beispielsweise wie eine Blume mit einem Baum über den kommenden Winter spricht und weiß, dass sie sterben muss, er aber weiterleben wird. Als ich die Bilder zeigte, sagte man mir, man glaube nicht, dass ich das geschrieben hätte. 7-Jährige seien zu so etwas nicht im Stande. Ich glaub, da fing ich an, mich auf verlorenem Posten zu fühlen.
Ich war ein stilles Kind, bei den Nachbarskindern unbeliebt und lieber allein. Ich wurde in Sportvereine gezwungen, vorwiegend um soziale Kontakte aufzubauen. Aber ich fand die anderen Kinder alle kacke. Also ging ich ziemlich bald schon nicht mehr hin. Später wollte ich ein Instrument lernen. Aber ich fange ja alles an und bleibe nicht dabei, deswegen gibt's auch keinen teuren Musikunterricht für mich. Ohnehin soll ich lieber gute Noten schreiben und nicht an irgendein musikalisches, unbrauchbares Gedudel denken, soll mich in der Schule anstrengen. Also bekomme ich einen Anreiz dazu. Für 'ne 1 zwei Mark, für 'ne 2 eine Mark. Der 3er spült immerhin noch 50 Pfennig in den kindlichen Geldbeutel 'rein. Der Vorschlag meiner Lehrerin, mir anstatt Geld doch besser Zeit - und damit verbunden Unternehmungen und Erinnerungen - zu schenken, wird abgenickt, mir mit einem Lächeln, das irgendwo zwischen mittelernst und süffisant liegt, mitgeteilt und dann einfach nicht umgesetzt. Er erscheint wohl etwas zu lächerlich, immerhin sind Zeit und Erinnerungen nichts Greifbares und auch nichts Kaufbares. Und abstrakte Dinge sind wie Musik eben unbrauchbar, also bleiben wir lieber zu Hause, macht eh keinen Unterschied. Zu Hause bin ich übrigens oft. In meinem Zimmer, still und auch bei eitel Sonnenschein. Ich lese ziemlich gern und viel. Deswegen bin ich introvertiert und komisch. Mit 14 werde ich in meiner empfindlichsten, pubertären Teeniephase als "sozial armer Mensch" bezeichnet. Mit 21 war ich dann durch mein Studium arrogant geworden. Und mit 25 kurzzeitig niemandes Tochter mehr.
All diese Dinge sagte mir nicht einfach irgendjemand, all diese Dinge sagten mir meine Eltern. Sie hatten einen Plan für mich, einen Lebensweg, den sie in ihren Köpfen schon mühsam gepflastert hatten und den ich nur noch entlang zu spazieren bräuchte. Sie wollten mich in die von ihnen vorgegebene Richtung schubsen, wollten ja immer nur das Beste für mich. Ich konnte in der Schule oberes Mittelmaß sein, das war ok. Aber so ganz ohne Clique in der Teenie-Zeit, ohne Spaß an Sportvereinen und oberflächlichen Freundschaften, das machte mich in ihren Augen zu einem hilfsbedürftigen Wunderling. Und die Hilfe kam nicht in Form von Förderung der Talente, die ich hatte, nicht in guter Zusprache oder Fürsorge, sondern in Form von gehässigen Predigten, die mich vor Verzweiflung und Wut jedes Mal zum Weinen brachten. Heulsuse. Blärliesl. Kalte, empathielose Denunziationen waren die Ernte meiner emotionalen Früchte. Das Reflexionspotenzial auf der Seite der einstigen Autoritätspersonen geht gleich dem absoluten Nullpunkt. Völlige Verständnislosigkeit warum ich mich entziehe, nichts mehr von mir Preis gebe, mein Leben alleine lebe, nach keinem Rat frage und ihn bei Aufdrängen auch nicht hören will. Ich treffe Entscheidungen selbstständig - laut meinen Eltern mal zu selbstständig, mal zu wenig selbstständig, je nach dem wie sie es gerade brauchen. Das Pulverfass aus Verschweigen, Denunzieren und Belehren explodierte vor gut einem Jahr dann völlig. Streit, Tränen, kindisches Verhalten. Für mich stand fest: es reicht. Ich bücke mich vor euch nie wieder. Die Fronten waren verhärtet. Und so entzog sich meine Familie mir. Zur Strafe. Aber ich blieb aufrecht. Bestrafen kann mich immerhin lediglich eine Autorität. Wenn ich diese aber nicht einmal anerkenne, verpufft jegliche "strafende" Konsequenz. Die Konsequenz wird bedeutungslos, leer. Kurze Zeit später wurde der Streit beigelegt, aber ein bitterer Beigeschmack blieb. Alle Parteien gestanden Teilschuld ein, subtil wurde aber verdeutlicht, dass doch der Großteil der Schuld auf meiner Seite läge. An diesem Muster werde ich wohl nie was ändern. Sowieso hab ich vom Leben generell keine Ahnung, zumindest mal wesentlich weniger Ahnung als meine Eltern. Dabei glaub' ich eigentlich, dass ich recht viel Ahnung vom Leben hab. Mittlerweile war ich in einigen Ländern mehr als sie, hab verschiedene Lebensentwürfe gesehen, unterschiedlichste Gesichter der Erde und auch, dass man ohne Geld durchaus glücklich werden kann. Ok, nicht ganz ohne, aber halt mit wenig. Auf dem verlorenem Posten bin ich in meiner Familie dennoch immer geblieben. Irgendwie bin ich anders als der Rest von ihnen. Ich bin nicht nachtragend und ich halte meine Eltern auch wirklich nicht für schlechte. Ich denke nur, sie waren nie fähig, mit mir auf irgendeine geartete Weise "richtig" umzugehen. Sonst hätten sie vielleicht gemerkt, dass ich einfach nur nicht in die kleine südbayrische Welt gepasst hab, in die ich hinein geboren wurde. Aber irgendwie finde ich das ganze ja schon ok. Sich wahnsinnig gut verstehende Familien mit inzestuösen Kumpel-Gefühlsbindungen find ich gruselig. Das gehört sich meiner Meinung nicht. Eine gesunde lokale und emotionale Distanz zwischen den einzelnen Generationen, die die kilometermäßige Grenze des spontanen und unangekündigten Familienbesuchs klar überschreitet, halte ich für psychisch unbedenklicher als das Gegenteil. Und zu guter Letzt muss natürlich auch gesagt werden, dass diejenigen, die zu Hause ständig den Arsch gepudert bekommen haben, meiner Erfahrung nach auch zu 98% unselbstständige Sensibelchen geworden sind. In diesem Sinne hat mein elterliches Abhärtungsprogramm vollsten Erfolg gehabt. Danke Mama, danke Papa, dass ihr mich zu einem starken Menschen gemacht habt, der sich bestimmt und enthusiastisch gegen die widrigsten Widerstände durchsetzen kann und sein Lebenspensum an Heulen schon mit 11 vollkommen ausgeschöpft hatte. Mittlerweile seh' ich das Ganze positiv und nehm's mit Humor.